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Nicolas Dickenmann, 2002 | Richterswil, ZH

 

Während viele Schwellenländer seit Jahrzehnten massive Probleme beim Sprung zu einem richtigen Industrieland bekunden, hat China innerhalb kürzester Zeit technologisch aufgeholt und seine Wirtschaft international konkurrenzfähig gemacht. In dieser Arbeit untersuchte ich detailliert, wie Chinas Eisenbahnindustrie innerhalb von 20 Jahren zum global grössten Player aufstieg. China First zeigt, welche Strategien die chinesische Regierung dabei angewandt hat; vom Zukauf von Know-how westlicher Eisenbahnhersteller über den rasanten Ausbau der Hochgeschwindigkeitsnetze bis hin zur angestrebten Expansion nach Europa und in die restliche Welt. Europa hat in den letzten Jahren Massnahmen ergriffen, um dieser Entwicklung entgegenzuwirken. Dabei erörtert und bewertet China First die Reaktionen der europäischen Eisenbahnhersteller sowie der europäischen Politik.

Fragestellung

(I) Was waren die Voraussetzungen, Ursachen und Strategien für den rapiden Aufstieg der chinesischen Bahnindustrie während der letzten 20 Jahre? (II) Wie reagieren die europäische Politik und die westlichen Eisenbahnhersteller auf die jüngste Expansion der chinesischen Eisenbahnindustrie (bzw. des Staatskonzerns CRRC) nach Europa?

Methodik

Zuerst stellte ich diverse Thesen auf und las Literatur über die Entwicklung von Schwellenländern. Danach begann ich mit der intensiven Recherche nach Quellen. Als Grundlage dienten Fachzeitschriften, Dokumente, Zeitungsartikel, Literatur und Interviews. Die Quellen habe ich untereinander verglichen und die Motive und Hintergründe der Urheber herausgearbeitet, um ein möglichst ausgewogenes und korrektes Bild wiederzugeben. In der Folge zog ich meine Schlüsse und versuchte die relevanten Aspekte möglichst hervorzuheben.

Ergebnisse

China First gibt einen umfassenden Überblick über den Aufbau der chinesischen Hochgeschwindigkeitsindustrie von den Anfängen in den 90er Jahren über die Know-How Transfers mit westlichen Herstellern in den 00er Jahren bis zur Konsolidierung der gesamten Eisenbahnindustrie zu einem gigantischen Staatsunternehmen (CRRC) und die Expansion ins Ausland in der letzten Dekade. Hier legte ich dar, welche Interessen die einzelnen Akteure verfolgten und wie sie vorgingen. Offensichtlich wird, mit welchem Kalkül die chinesischen Entscheidungsträger vorgingen und wie kurzfristig orientiert die westlichen Hersteller agierten. Im zweiten Teil legte ich die Reaktionen Europas dar. Die westlichen Eisenbahnhersteller versuchen CRRC durch die Steigerung der eigenen Wettbewerbsfähigkeit, aber auch durch das Ausnutzen von Eintrittsbarrieren und Appelle an die Politik zu begegnen. Während die europäischen Hersteller sich angesichts der neuen Konkurrenz konsolidieren wollen, steht die europäische Politik vor grossen Dilemmas. Gleichzeitig will man einen funktionierenden Wettbewerb innerhalb Europas, aber andererseits muss man auch im globalen Wettbewerb bestehen können. Die Wettbewerbskommission hat die Alstom-Siemens Fusion aus Angst vor schwindendem Wettbewerb in Europa verboten. Dies sorgte für viel Kritik von verschiedenen Seiten und die spätere Alstom-Bombardier Fusion wurde trotz ähnlicher Vorbehalte in Folge erlaubt.

Diskussion

Die Erkenntnisse dürfen nicht nur aus europäischer Perspektive bewertet werden. Es muss beachtet werden, dass die chinesische Strategie grosse Erfolge verbuchen konnte. Ein rückständiges, kommunistisches Land hat sich in eine wohlhabende Industriemacht verwandelt und dabei hunderte Millionen Menschen aus der Armut geholt. Mittlerweile ist dies im Bereich der Hochgeschwindigkeitszüge gegen oder sogar unter Ausnutzung westlicher marktwirtschaftlicher Prinzipien, auf Kosten der europäischen Eisenbahnhersteller, geschehen. Angesichts der damaligen Situation Chinas als Entwicklungsland lässt sich dies möglicherweise noch rechtfertigen, nun ist aber zu fordern, dass sich China aufgrund seiner erstarkten Position ebenfalls an die internationalen Standards hält.

Schlussfolgerungen

Die Arbeit konnte den Aufstieg der chinesischen Eisenbahnindustrie darlegen und die Reaktionen Europas analysieren. Die Leitfragen konnten beantwortet werden. Ein Gespräch mit einer Person mit chinesischer Perspektive sowie ein Austausch mit einem europäischen Eisenbahnhersteller wären sehr interessant gewesen, kamen aber leider aus verschiedenen Gründen nicht zustande. China First hilft, für konkrete Vorschläge ein Fundament zu legen, um der neuen Konkurrenz zu begegnen und Reziprozität gegenüber China zu erreichen. Die Forschung zu diesem aktuellen Thema ist noch nicht weit fortgeschritten. Hier soll China First einen Beitrag leisten.

 

 

Würdigung durch den Experten

Prof. Dr. Ralph Weber

Die Arbeit zeichnet sich durch die akribische und umfassende Aufarbeitung der Entwicklung der chinesischen Eisenbahnindustrie in den letzten 20 Jahren aus. Ein Fokus liegt auf der Rolle europäischer Eisenbahnhersteller und politischer Akteure. Der Autor zeigt ein gut entwickeltes methodisches Verständnis. Die Sprache ist präzise und schnörkellos. Dabei gelingt es dem Autor, nicht nur das Spannungsfeld chinesischer und europäischer Konkurrenz in diesem spezifischen Bereich greifbar zu machen, sondern die Thematik so aufzubereiten, dass sie auch für andere Industrien Einsichten bereithält.

Prädikat:

sehr gut

Sonderpreis HSG Alumni

 

 

 

Kantonsschule Freudenberg, Zürich
Lehrer: Dr. Patrick Hersperger