Geschichte | Geographie | Wirtschaft | Gesellschaft

 

Paula Sticherling, 2003 | Basel, BS

 

Die vorliegende Arbeit behandelt die Geschichte der Tunnelfluchten und Fluchthilfe in Berlin zur Zeit des geteilten Deutschlands. Dafür wurden Walter Momper, der ehemalige regierende Bürgermeister von West-Berlin, Rotraut Seidel, die Frau des Fluchthelfers Harry Seidel, sowie Axel Mitbauer, der schwimmend 25 km durch die Ostsee floh, interviewt. Die verwendete Methodik war die «Oral History» auf dem Boden der Aussagen und Informationen der Zeitzeugeninterviews. Die Forschungsfragen lauteten: (i) Weshalb wollte man aus der DDR fliehen und warum ist man Fluchthelfer geworden? (ii) Wie lief eine Tunnelflucht ab und welche Rolle hatten die Fluchthelfer dabei? (iii) Wie sah das Leben eines Fluchthelfers aus? Die Ergebnisse zeigten, dass die häufigsten Fluchtgründe die fehlende Freiheit und Freizügigkeit, die wirtschaftliche Situation in der DDR und die allgemeine Ablehnung der Ideologie waren. Die meisten Fluchthelfer waren Studenten und halfen aus humanistischer und ideologischer Motivation, nur wenige hatten dabei kommerzielles Interesse. Insgesamt gab es 70 Fluchttunnel-Vorhaben, wobei nur durch 19 dieser Tunnel tatsächlich Fluchten gelangen. Fluchttunnel waren in Vorbereitung und Bau sehr aufwändig und die Durchführung einer Tunnelflucht riskant. Fluchthelfer waren für die Fluchten unerlässlich.

Fragestellung

(I) Weshalb wollte man aus der DDR fliehen? (II) Warum ist man Fluchthelfer geworden? (III) Wie lief eine Tunnelflucht ab? Welche Rolle hatten die Fluchthelfer dabei? (IV) Wie wurde man Fluchthelfer, was waren die Tätigkeitsbereiche eines Fluchthelfers und wie sah das Leben eines Fluchthelfers aus?

Methodik

Als Methodik für diese Arbeit wurde Oral History verwendet. Im Vorfeld der Interviews habe ich mich über die zu behandelnden Themen informiert und anschliessend die Fragen für die drei Interviews formuliert. Ich habe telefonische Interviews mit Axel Mitbauer, Walter Momper und Rotraut Seidel geführt, diese aufgenommen und schliesslich transkribiert. Die Informationen aus den Zeitzeugeninterviews bildeten die Basis meiner Arbeit. Mit Buch- und Internetquellen konnte ich weitere Informationen ergänzen.

Ergebnisse

Die Hauptgründe für die Flucht waren die fehlende Freiheit und Freizügigkeit in der DDR, die schlechte wirtschaftliche Situation, die Ablehnung der Ideologie und die Familienzusammenführung. Bei den Fluchten spielten Fluchthelfer die zentrale Rolle; viele Fluchten hätten ohne sie nicht stattfinden können. Die meisten Fluchthelfer waren Studenten und halfen aus humanistischen und ideologischen Gründen den Fluchtwilligen zu fliehen. Dabei gruben sie Tunnel, besorgten gefälschte Papiere und planten aus Westberlin die Fluchten. Nur wenige Fluchthelfer verlangten Geld für ihre Hilfe. Tunnelfluchten waren ein grosser Tätigkeitsbereich der Fluchthelfer. Sie gruben vom Westen aus Tunnel in den Osten, um dann Fluchtwillige aus dem Osten in den Westen zu bringen. Insgesamt gab es 70 begonnene Fluchttunnel, nur durch 19 konnten Fluchten stattfinden. Harry Seidel war vor seiner Verhaftung besonders in der Tunnelfluchthilfe sehr aktiv. Die Tunnelfluchten unterschieden sich und alle brachten verschiedene Schwierigkeiten mit sich. Die aufwändige Vorbereitung, der anstrengende Bau und die riskante Durchführung waren jedoch stets Teil einer Tunnelflucht. Das genauere Beleuchten der Logistik und der Durchführung der Fluchthilfe von Harry Seidel hat gezeigt, wie mutig die Fluchthelfer waren und wie gross die Gefahr war, wegen ihrer Fluchthilfe verhaftet zu werden oder dabei erschossen zu werden.

Diskussion

Die Ergebnisse dieser Arbeit geben einen tieferen Einblick in das Thema Fluchthilfe und Tunnelflucht. Beim Verfassen der Arbeit wurde mir schnell klar, wie umfassend das Thema ist und wie viele Aspekte man noch behandeln könnte. Die Methodik Oral History mit Zeitzeugeninterviews stellte sich als das geeignete Mittel zur Erstellung der Arbeit heraus. Die persönlichen Erlebnisse der Gesprächspartner, die nur durch deren Schilderung erlangt werden konnten, waren sehr wertvoll für diese Arbeit. Den Fluchthelfern gebührt für ihren humanitären Einsatz unter hohem persönlichem Risiko grösster Respekt.

Schlussfolgerungen

Diese Arbeit hat mir gezeigt, wie schwierig die Zeit des geteilten Deutschlands für die Menschen war. Obgleich diese Zeit noch nicht lange zurückliegt, können sich die meisten nicht mehr vorstellen, wie das Leben in einer durch eine Mauer geteilten Stadt war. Ich hoffe, dass ich mit dieser Arbeit aufzeigen kann, wie schwierig die Umstände damals waren und wie mutig Einige damit umgingen.

 

 

Würdigung durch den Experten

Dr. des. Edward Weber

Was waren die Gründe dafür aus der ehemaligen DDR in den Westen zu fliehen? Und aus welchen Motiven handelten die Fluchthelfer? Die Autorin geht diesen und weiteren Fragen in ihrer Arbeit nach und hat dazu ausführliche Interviews mit Zeitzeugen und Beteiligten durchgeführt. Auf Basis dieser Interviews gelingt ihr eine detailreiche und plastische Schilderung der Fluchten aus der DDR. Dazu gehört etwa die sehr spannende Beschreibung der Planung und Durchführung von Tunnelfluchten, welche einem richtiggehend in den Bann ziehen.

Prädikat:

gut

 

 

 

Gymnasium Kirschgarten, Basel
Lehrerin: Sarah Staehelin