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Christina Kummer, 2003 | Täuffelen, BE

 

Darf man über Hitler und das Nazi-Regime lachen? Diese Frage beantworten Filmkomödien, die sich darüber lustig machen, mit ja. In meiner Arbeit zeige ich, wie und worüber sich diese Filme lustig machen und welche Veränderung durch die Zeit festzustellen ist. Für die Analyse wurden einerseits Formen von Komödien, andererseits Elemente der Komik erarbeitet. Es wurden exemplarisch die Filme ‘Der grosse Diktator’ (1940), ‘Drei Bruchpiloten in Paris’ (1966) und ‘Jojo Rabbit’ (2019) formal und auf ihre Komik hin untersucht und verglichen. Dabei hat sich gezeigt, dass die Art, wie man sich über das Nazi-Regime lustig macht, unterschiedlich ist. ‘Der grosse Diktator’ ist eine Satire, die durch Übertreibung Kritik am Nazi-Regime übt. In ‘Drei Bruchpiloten in Paris’ wird das Nazi-Regime zur Farce, wenn es ohne Ernsthaftigkeit und als unterlegener Gegner dargestellt wird. In ‘Jojo Rabbit’ entwickelt sich die Perspektive auf das Nazi-Regime von einer eher sarkastischen Darstellung zu einer ernstzunehmenden Gefahr.

Fragestellung

«Wie und worüber macht man sich in Filmkomödien über das Nazi-Regime lustig, und welche Veränderung ist dabei festzustellen?» Das Wie steht dabei für die Komik, also die Werkzeuge und die Art, wie man sich lustig macht. Das Worüber hingegen steht für die Art, wie das Nazi-Regime dargestellt wird und über welche Aspekte man sich mokiert. Mit Veränderung meine ich die Unterschiede, die seit der Zeit des Nazi-Regimes bis heute in den Filmen festzustellen sind.

Methodik

Mithilfe von Literatur zu Komik im Film habe ich ein Analyseraster entwickelt, das z. B. die Elemente Absurdität, Überraschung, Komik der Bewegungen oder Bild- und Wortkomik beinhaltet. Anschliessend habe ich die Filme auf Komik hin untersucht und die Filmstellen in das oben genannte Raster eingeordnet. Die Ergebnisse habe ich sowohl quantitativ als auch qualitativ ausgewertet und verglichen. So konnte ich eine Methode finden, um die Komikelemente nach ihrer Häufigkeit sowie inhaltlich und formal zu studieren.

Ergebnisse

Bei der Analyse der Filme stachen folgende Ergebnisse heraus. Die für eine Satire typischen Elemente der Absurdität und Übertreibung kommen in ‘Der grosse Diktator’ und vor allem in ‘Jojo Rabbit’ oft vor, in ‘Drei Bruchpiloten in Paris’ hingegen viel weniger. Dieser hat dafür zahlenmässig die meisten Komikstellen. Aggressivität und übermässige Korrektheit sind allgemein auffällige Aspekte des Nazi-Regimes, über die man sich lustig macht, ebenso wie Dummheit und Unfähigkeit der Nationalsozialisten. In den 1940er Jahren war man auf die Satire fokussiert (‘Der grosse Diktator’: 127 Komikstellen). Man hat sich zwar über das Nazi-Regime lustig gemacht, war sich aber auch dessen Gefahr bewusst. In den 1960er Jahren wollte man sich von den Schrecken des Krieges distanzieren und hat das Nazi-Regime durch unterhaltsame Komödien lächerlich gemacht (‘Drei Bruchpiloten in Paris’: 200 Komikstellen). In den 1990er Jahren haben Filme wie ‘La vita è bella’ durch Tragikomik eine erträglichere Sicht auf das Thema entwickelt, um erneut darauf aufmerksam zu machen. Nach 2000 lag der Fokus wieder mehr auf der Satire. Jedoch war man unschlüssig, in welcher Form man sich über Hitler und das Nazi-Regime lustig machen darf (‘Jojo Rabbit’: 84 Komikstellen).

Diskussion

Die anfangs gestellten Fragen konnte ich beantworten (siehe Ergebnisse). Bei der Analyse der Filmstellen gibt es Verbesserungspotential bezüglich der Auswahl der Stellen und der Zuordnung zu den entsprechenden Kategorien, auch da die Filmstellen nur von mir eingeschätzt wurden. Möchte man die Arbeit erweitern, könnte man die Filme von mehreren Personen analysieren lassen, um diese Ungenauigkeiten zu verringern. Weiter wäre es aufschlussreich, mehr Filme zu analysieren, um Genaueres über die Zeit vom Nazi-Regime bis heute aussagen zu können. Zudem wäre es interessant, die kulturelle Perspektive und das Herkunftsland der Filme stärker zu berücksichtigen, da diese beeinflussen, welche Art von Komik gesellschaftlich akzeptiert wird. Folglich wäre auch eine Analyse der Rezeption, also der Reaktionen, spannend.

Schlussfolgerungen

Ich konnte zeigen, dass trotz des ernsten und tragischen Themas die Menschen ein Bedürfnis haben, dieses auch mit Komik zu verarbeiten. Dies tun sie auf unterschiedliche Art, abhängig davon, wie gross die zeitliche Entfernung zum Ereignis ist. Das führt mich zur Frage, wieso man überhaupt Komik benutzt, um solch schreckliche Ereignisse darzustellen. Möglich ist, dass Komik Raum bietet, das Unfassbare überhaupt auszudrücken und es zu kritisieren. Andererseits kann sie die Schrecklichkeit erträglicher machen.

 

 

Würdigung durch die Expertin

Prof. em. Dr. Margrit Tröhler

Christina Kummer widmet sich dem brisanten Thema, ob man über den Nationalsozialismus lachen darf. Sie untersucht Filmkomödien, die genau das tun, indem sie danach fragt, wie und worüber sich die Filme lustig machen und welche Veränderungen durch die Zeit festzustellen sind. Die Arbeit überzeugt durch ihre theoretische Fundiertheit und die Systematik der qualitativen und quantitativen Analyse. Die Autorin legt ihre Ergebnisse transparent und reflektiert dar und kann plausible Aussagen zur historischen Entwicklung machen. Zudem ist die Arbeit angenehm lesbar und anschaulich illustriert.

Prädikat:

sehr gut

 

 

 

Gymnasium Biel, Biel/Bienne
Lehrerin: Christa Gerber