…oder das schwarze Loch in unserer Milchstrasse
Sébastien Garmier, Finalist vom Nationalen Wettbewerb 2018, SJf-Alumnus, EUCYS-Teilnehmer, Sonderpreisabräumer und Hobbyastrofotograf, ist 12`000 Kilometer gereist, um 25`000 Lichtjahre ins All zu Blicken. Von seiner im Vergleich läppisch kurzen Reisezeit (24 Stunden) ans grösste Teleskop der Welt erzählt er in unserem heutigen Blogbeitrag.
2.9.19 – Cerro Paranal in Antofagasta, Chile
Endlich komme ich im Guesthouse, 2 Flugstunden von meinem finalen Reiseziel entfernt, an. Bevor ich morgen das grösste Teleskop der Welt, gebaut vom ESO, besuche, gibt’s Mittagessen. Hier treffe ich auf «J-B» (Jean-Babptiste), einen PHD-Studenten in Astronomie aus Deutschland. Er fordert mich zu einer Partie Schach auf, ich verliere spektakulär. Vielleicht sollte ich mir doch noch die Kunst des Schachspiels aneignen? Todmüde aber glücklich falle ich um 21:00 Ortszeit ins Bett.
3.9.2019
Heute beginnt meine finale Reise ans Paranal-Observatorium. In Antofagasta treffe ich Mylène, die mich in den nächsten Tagen herumführen wird.
Nach Ankunft beziehe ich mein Zimmer mit atemberaubender Sicht auf die Atacama-Wüste und den Pazifik. Am Nachmittag lerne ich Pierre Bourget kennen, den Director of Operations vom ESO. Er zeigte mir, wie die Spiegel der verschiedenen Teleskope alle Paar Jahre neu beschichtet werden.
Am späten Nachmittag fahren wir auf die Paranal-Plattform. Von dort schiesse ich einige Fotos der Landschaft und vor allem der riesigen Teleskope. Ich darf sogar eines der grossen Teleskope besichtigen. Der riesige 8-Meter-Spiegel in seiner gewaltigen Montierung ist wirklich beindruckend.
Relativ früh am Abend wird das Teleskop jetzt endlich geöffnet. Ich beobachte den Öffnungsvorgang von innen: Die riesigen Geräte sind in Bewegung noch viel eindrücklicher! Anschliessend zeigt mit Mylène den Kontrollraum.
Ungefähr um 18:30 beobachten wir den Sonnenuntergang und verwenden eines der Geräte, das uns Pierre zur Verfügung stellt. Es ermöglicht die genaue Beobachtung der atmosphärischen Effekte während dem Sonnenuntergang. Leider ist der berühmten grüne Schein heute nicht zu sehen.
Nach diesem Naturspektakel treffe ich Steffen Mieske, einen deutschen Astronomen, in seinem Büro im Kontrollzentrum. Er beschäftigt sich mit der Bewegung von Galaxien in Galaxienhaufen. Wir kommen auf schwarze Löcher und Gravitation zu sprechen. Schön, sich mit genauso interessierten Menschen austauschen zu können. Unsere Gespräche sind so interessant, dass ich komplett die Zeit vergesse. Mit Verspätung fahren wird zurück zur Plattform.
Ich treffe Xavier Haubois, einen französischen Astronomen, der ebenfalls am Gravity-Projekt arbeitet. Er erklärt mir, wie die Interferenz-Beobachtungen am VLT funktionieren.
Mittlerweile ist schwarze Nacht – der Mond ist verschwunden. Ich fotografiere die vier Laser des einen Teleskops, bekomme sogar die beiden Magellanschen Wolken und die Milchstrasse gestochen scharf vor die Linse. Beim Anblick der tausend Sterne stockt mir der Atem weg. Fast glaube ich, mit einem Griff in die Galaxien greifen zu können. Ich habe noch nie einen so klaren Himmel gesehen. Die Milchstrasse ist unglaublich hell und erscheint tatsächlich wie Milch.
Im Hotel «stacke» ich die Aufnahmen – stacken bedeutet, die Fotos von Rauschen zu befreien – und bearbeite sie. Die Resultate fallen super aus, mit dem Bild der Milchstrasse bin ich aber noch nicht ganz zu frieden. Leider hat sich der milchige Aspekt der Milchstrasse nur schwer einfangen lassen. Vielleicht kann ich zu Hause noch eine Verbesserung erzielen. Für heute ist genug geleistet. Müde falle ich ins Bett.
4.9.2019
Zum Glück treffen wir uns heute nicht so früh – ich kann ausschlafen. Pierre erklärt mir ausführlich, wie das Interferometer funktioniert. Dabei müssen die Spiegel der Teleskope und Messinstrumente für jede Wellenlänge einzeln äusserst präzise ausgerichtet werden.“. Ich kenne mich mit Interferenzoptik nicht sonderlich gut aus; aber das Gebiet ist unglaublich spannend.
Anschliessend kann ich das VISTA-Teleskop besichtigen. Es ist etwas kleiner (4m), als die restlichen Teleskope. Die Instrumente sind zudem etwas klassischer. Hier wird bald ein neues Instrument installiert, welches nicht nur ein Bild aufnimmt, sondern gleich ein Spektrogramm von jedem Pixel erstellt.
5.9.2019
Am Nachmittag treffe ich in Vitacura wieder Mylène. Gemeinsam schlendern wir durch die die Büros der ESO. Schon wieder ein neues Gesicht und eine neue Geschichte: Ich treffe auf Juan-Carlos Munoz, er ist Astronom und Hobby-Astrofotograf. Es könnte nicht besser passen. Wir sprechen über Astronomie, Astrophysik, Astrofotografie und Physik im Allgemeinen. Ich zeige ihm meine Projektarbeit von Schweizer Jugend forscht und wir diskutierten über Forschungskarrieren.
Auch Mylène und ich verabschieden uns – ich bedanke mich herzlich bei ihr.
Wie es der Zufall so will, treffe ich beim Abendessen Professor Barcons an. Haltet die Luft an: Er ist Director General der ESO. Der Ranghöchste dieser Institution. Er ist gerade geschäftlich in Santiago unterwegs und übernachtet deshalb im Guesthouse. Als würden wir uns schon ewig kennen sprechen wir über die ESO, unser aussergewöhnliche Übernachtungslokation und am Ende sogar über meinen Preis, den ich am EUCYS gewonnen habe und der mich hier nach Chile gebracht hat.
Es ist Samstag, der 7. September. Ich sitze in meinem Zimmer und betrachte den Nachthimmel. Unglaublich, wie unterschiedlich der Blick in unser Himmelszelt doch ist. Hier in Villmergen scheinen die Sterne wieder unendlich weit weg zu sein.
Schwarze Löcher:
Mit den Messinstrumenten am Observatorium werden die Bewegungen der Sterne um das schwarze Loch in unserer Milchstrasse dokumentiert. Laut der Theorie von Gravitation des Albert Einstein, die heute übrigens experimentell hinterlegt ist, können Sterne unter ihrem eigenen Gewicht zusammenfallen. Sobald die Fluchtgeschwindigkeit des Gestirns die Lichtgeschwindigkeit von 300 000 Kilometern pro Sekunde überschreitet, wird der Stern zu einem schwarzen Loch, aus dem nichts mehr entkommen kann, weil sich nichts mit mehr als Lichtgeschwindigkeit bewegen kann.