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Lia Koster, 2003 | Zürich, ZH
Mara Nöthiger, 1998 | Lenzburg, AG

 

In unserer Arbeit befassen wir uns mit der Auseinandersetzung älterer Menschen mit dem eigenen Sterben und Tod sowie mit möglichen Einflüssen darauf. Welche Einstellungen, Glaubenssätze, Ängste und Wünsche haben ältere Menschen diesbezüglich? Diese wurden mithilfe qualitativer Interviews mit Senior:innen ergründet. Trotz unterschiedlichen Einstellungen zeigen sich drei zentrale Elemente, die allen zugrunde liegen: die Selbstbestimmung, die zwischenmenschlichen Beziehungen und die Angst vor dem Sterben. Die Selbstbestimmung und die zwischenmenschlichen Beziehungen bilden kollektive Bedürfnisse älterer Menschen in Bezug auf das Sterben und den Tod, wobei die Angst vor dem Sterben wiederum mit einem befürchteten Verlust der Selbstbestimmung zusammenzuhängen scheint. Weiter stellen wir fest, dass körperliche, emotionale, psychosoziale und biografisch bedingte Faktoren sowie das persönliche Wertesystem die individuellen Einstellungen beeinflussen.

Fragestellung

(I) Wie sind ältere Menschen ihrem eigenen Sterben und Tod gegenüber eingestellt? (II) Welche Faktoren beeinflussen diese Einstellung massgeblich?

Methodik

Mit vier Senior:innen wurden qualitative Interviews anhand eines Leitfadens durchgeführt. Die Auswertung erfolgte induktiv, indem wir von individuellen Interviewergebnissen auf tiefer liegende Strukturen und Zusammenhänge schlossen. Die Antworten der Interviewpartner:innen wurden transkribiert und verdichtet, verglichen und pro Kategorie zusammengefasst.

Ergebnisse

Drei elementare Bereiche wurden näher betrachtet: Selbstbestimmung, zwischenmenschliche Beziehungen und Angst vor dem Sterben. Selbstbestimmung ist ein zentraler Wunsch älterer Menschen in Bezug auf Sterben und Tod; deren inhaltliche Bestimmung ist hingegen individuell. Sie beinhaltet, gewisse Rechte sowohl beanspruchen als auch ablehnen zu können, etwa Sterbehilfe. Zwischenmenschliche Beziehungen und das soziale Umfeld bilden fundamentale Aspekte der Einstellung zum Tod. Sämtliche Wünsche und Pläne beziehen sich nicht nur auf das eigene Wohl, sondern auch das anderer. Vergangene Erfahrungen mit Familienangehörigen prägen den eigenen Umgang mit dem Tod. Unsere Interviewpartner:innen gaben an, keine Angst vor dem Tod, sondern vor dem Prozess des Sterbens zu haben. Gründe dafür sind die Ungewissheit des Verlaufs und die Möglichkeit, pflegebedürftig zu werden. Das hängt wiederum mit der Selbstbestimmung zusammen; abhängig und unmündig zu werden, scheint ihnen Angst zu machen.

Diskussion

Unsere Annahme, dass es trotz unterschiedlichen individuellen Einstellungen zentrale Bedürfnisse gebe, wird durch unsere Ergebnisse gestützt. Als solche zeigen sich die Selbstbestimmung und zwischenmenschliche Beziehungen. Die Angst vor dem Sterben ist ebenfalls ein Element, das bei allen Interviewpartner:innen vorhanden ist. Eine umfassende Beantwortung der Fragestellung, welche Faktoren die Einstellung zum Tod und Sterben massgeblich beeinflussen, würde eine erheblich grössere Untersuchung erfordern. Indessen bestätigen sich sämtliche von uns vermuteten Faktoren sowie das persönliche Wertesystem als Einflussgrössen.

Schlussfolgerungen

Ein einstimmiger Wunsch unserer Interviewpartner:innen ist die gesellschaftliche Enttabuisierung des Sterbens und des Todes – mehr darüber reden, sich ehrlich damit auseinandersetzen, miteinander in einen Dialog treten. Durch diese Arbeit erfuhren wir selbst eine Sensibilisierung im Hinblick auf den Umgang mit Sterbenden. Das Wissen um die körperlichen und geistigen Prozesse während des Sterbens und die ausführlichen Dialoge über den Tod bilden wertvolle Instrumente für den Praxisalltag einer Fachfrau Gesundheit. Insofern könnte man argumentieren, dass eine umfangreiche Schulung des medizinischen Personals zu den Themen Sterben und Tod unabdingbar ist, wenn ein würdiger und sicherer Umgang damit erreicht werden soll. Ein möglicher Lösungsansatz ist eine vertiefte theoretische sowie praktische Schulung des medizinischen Personals zu den Themen Sterben und Tod, welche eine persönliche Auseinandersetzung und eine neue Definition des Gesundheitsbegriffs ermöglicht. Von besonderem Wert waren für uns die persönlichen Gespräche. Sie erfordern vom Interviewenden Offenheit und Bereitschaft und stellen den nachhaltigsten Gewinn der Arbeit dar.

 

 

Würdigung durch den Experten

Hans Rudolf Schelling

Die Arbeit befasst sich anhand von Interviews mit vier Personen im Alter von 62 bis 78 Jahren und einer umfassenden qualitativen Inhaltsanalyse mit der Einstellung älterer Menschen zum Sterbeprozess und zum Tod. Die Darstellung der theoretischen Grundlagen, des Forschungsprozesses und der Daten ist gut gelungen und in ansprechender, leicht verständlicher Sprache verfasst. Unterschiedliche Sichtweisen des Sterbens und des Todes sowie deren Hintergründe werden prägnant und einfühlsam dargelegt. Die Autorinnen leiten adäquate Folgerungen für die Schulung von Fachpersonen im Gesundheitsbereich ab.

Prädikat:

sehr gut

 

 

 

Berufsmaturitätsschule Zürich
Lehrerin: Aurélia Sánchez