Physik | Technik

 

Cordian Dominik Lehmann, 2004 | Murten, FR

 

Das aerodynamische Verhalten von glatten, kugelförmigen Körpern wurde bereits weitgehend erforscht. Fussbälle weisen jedoch eine andere Oberflächenstruktur auf, wodurch ein aussergewöhnliches und schwer quantifizierbares Strömungsverhalten entsteht. Ziel dieser Arbeit war es, die Einflüsse des Luftwiderstandes auf die Flugbahn eines Fussballschusses sowohl qualitativ als auch quantitativ darzulegen und die Möglichkeiten zur realitätsgetreuen Modellierung von geraden Fussballschüssen zu diskutieren. Dazu wurden mehrere mathematische Modelle erarbeitet, die daraufhin anhand einer experimentellen Untersuchung vertieft analysiert wurden. Die Ergebnisse wurden schliesslich mittels Messungen in einem Windkanal bestätigt und präzisiert. Es konnte festgestellt werden, dass das aerodynamische Verhalten stark von der Ballgeschwindigkeit abhängt, wobei eine Verschiebung des kritischen Strömungsübergangs zu deutlich tieferen Reynolds-Zahlen als bei der glatten Kugel beobachtet wurde. Das allgemeingültige Modell mit quadratisch zur Geschwindigkeit proportionalem Luftwiderstand lässt sich deshalb bei hinreichend hohen Ballgeschwindigkeiten auch durch ein mathematisch einfacheres Modell mit linear proportionaler Widerstandskraft approximieren.

Fragestellung

In der Literatur zur Aerodynamik von Fussbällen existierten bislang keine einheitlichen Resultate, insbesondere was den Übergang von unterkritischem zu überkritischem Strömungsverhalten betrifft. Die vorliegende Untersuchung bestand deshalb darin, die aerodynamischen Eigenschaften eines Fussballs zu ermitteln und damit aufzuzeigen, inwiefern sich die Flugbahn eines geraden Fussballschusses realitätsgetreu modellieren lässt.

Methodik

Zunächst wurden die Gründe für das spezielle aerodynamische Verhalten von Fussbällen anhand der Theorie der Strömungsmechanik qualitativ erklärt und anschliessend zwei mögliche Bewegungsgleichungen zur quantitativen Beschreibung der Flugbahn aufgestellt. In einer folgenden experimentellen Untersuchung wurden Videoaufnahmen von geraden Fussballschüssen mit und ohne Rückwärtsrotation aufgezeichnet, um aus diesen mittels Videoanalyse Daten zur Flugbahn zu gewinnen. Durch numerische Anpassung der Modelle an die vorliegenden Datensätze wurden die unbekannten Parameter bestimmt und die verschiedenen Modelle in ihrer Gültigkeit beurteilt. Schliesslich wurden die Resultate durch Messungen der aerodynamischen Eigenschaften des Fussballs im Windkanal verifiziert.

Ergebnisse

Das Modell mit quadratisch proportionaler Widerstandskraft ergab im gesamten untersuchten Reynolds-Zahl-Bereich gute Übereinstimmungen mit den gemessenen Flugbahndaten. Im hohen Reynolds-Bereich wurde dabei ein deutlicher Einbruch der ermittelten Widerstandsbeiwerte beobachtet. Das Modell mit linear proportionaler Widerstandskraft hingegen erzielte nur bei hohen Ballgeschwindigkeiten ausreichende Vorhersagen. Zusätzlich konnte eine statistisch signifikante lineare Korrelation zwischen der Winkelgeschwindigkeit des rotierenden Fussballs und dem Magnuskraftbeiwert festgestellt werden. Die Messungen im Windkanal bestätigten die Abhängigkeit des Widerstandsbeiwertes von der Reynolds-Zahl und ermöglichten eine exakte Bestimmung des kritischen Strömungsübergangs.

Diskussion

Die in der Literatur teils vertretene Annahme, dass ein Fussball keinen Übergang von unterkritischem zu überkritischem Strömungsverhalten aufweise, konnte eindeutig widerlegt werden. Die Annahme eines linear proportionalen Luftwiderstandes erwies sich somit als Übervereinfachung, liefert im überkritischen Strömungsbereich aufgrund der dort tiefen Widerstandsbeiwerte aber dennoch eine gute Approximation. Da in der Literatur nur sehr wenige Angaben zum Magnuskraftbeiwert existieren und die jeweils ermittelte Rotationsfrequenz des Balls einer grossen Messunsicherheit unterlag, lassen sich hinsichtlich der beobachteten Korrelation keine weiteren Interpretationen anstellen.

Schlussfolgerungen

Zusammenfassend stellt die vorliegende Arbeit eine gründliche qualitative sowie quantitative Untersuchung des aerodynamischen Verhaltens von Fussbällen dar. Erstmals wurden die aerodynamischen Eigenschaften desselben Fussballs sowohl direkt im Windkanal als auch durch numerische Anpassung der Bewegungsgleichungen an reale Flugbahndaten untersucht. Die Gültigkeitsbereiche der einzelnen Modelle konnten erfolgreich aufgezeigt werden, was eine realitätsgetreue Modellierung von Fussballschüssen ermöglicht. Es bieten sich weitere Untersuchungsmöglichkeiten hinsichtlich der Magnuskraft beim rotierenden Ball an, wofür aber eine Vorrichtung zur kontrollierten Steuerung der Ballrotation vonnöten wäre.

 

 

Würdigung durch den Experten

Prof. Leonardo Manfriani

In dieser Arbeit wurden in bestem wissenschaftlichen Tradition theoretische und empirische Modelle kritisch analysiert und durch geeignete Experimente untersucht. Der Teilnehmer hat mit viel Initiative und Fleiss die Experimente entwickelt und durchgeführt; ein Vergleich mit Windkanalversuchen hat gezeigt, dass die Experimente doch geeignet waren, um korrekte Schlussfolgerungen über die Validität verschiedenen Modelle der Widerstand eines Fussballs zu ziehen.

Prädikat:

hervorragend

Sonderpreis Schweizerische Physikalische Gesellschaft – Jugendpreis der SPG

 

 

 

Kollegium St. Michael, Fribourg
Lehrerin: Dr. Laura Cattaneo