Biologie | Umwelt

 

Robin Jeger, 1999 | Horgen, ZH

 

Die Evolution ist eines der faszinierendsten Teilgebiete der Biologie. Durch diese Arbeit konnte ich einen Einblick in die unzähligen Wechselspiele und komplexen Vorgänge der natürlichen und vor allem der sexuellen Selektion erlangen, die jede einzelne Spezies auf dieser Erde zu dem formte, was sie jetzt ist und ausmacht. Ziel der Arbeit war es, herauszufinden, wie die sexuelle Selektion bei der unerforschten Fruchtfliegenart Drosophila prolongata (D. prolongata) aussieht. Dabei sollten im Wesentlichen zwei Fragen beantwortet werden: (I) Welche Bedeutung hat die sexuelle Selektion vor der Paarung (Weibchenwahl und Männchenkonkurrenz)? (II) Welchen Einfluss hat die Spermienkonkurrenz eventuell auf ihr Paarungssystem? (III) Wie unterscheiden sich diese Faktoren bei D. prolongata von anderen besser untersuchten Fruchtfliegenarten, zum Beispiel D. melanogaster? Durch ihr einzigartiges Balzverhalten und Aussehen könnte die Erforschung von D. prolongata neue Einblicke in die sexuelle Selektion, in das Dilemma der Ressourcenallokation zwischen sexueller Selektion vor und nach der Paarung sowie in die Evolution ganz allgemein bringen.

Fragestellung

(I) Wie sieht die sexuelle Selektion bei Drosophila prolongata aus? (II) Welche relative Bedeutung haben Weibchenwahl und Männchenkonkurrenz? (III) Welchen Einfluss hat die Spermienkonkurrenz auf ihre Evolution? (IV) Haben intrasexuelle Grössenunterschiede einen Einfluss auf den Paarungserfolg? (V) Welchen Einfluss hat das Balzverhalten auf den Paarungserfolg?

Methodik

Um relevante Daten auf der verhaltensbiologischen, der morphologischen sowie der genetischen Ebene zu erhalten, verpaarte ich zuerst 30 Männchen einzeln mit 30 Weibchen und anschliessend 60 Männchen je zu zweit mit 30 Weibchen. Beim ersten Durchgang war die sexuelle Selektion ausgeschaltet, während beim zweiten Setting sowohl Weibchenwahl als auch Männchenkonkurrenz eine Rolle spielen konnten. Während dieser Versuche filmte ich das Verhalten, um genaue Balz- und Paarungsdaten zu erhalten. Anschliessend sezierte ich die Fliegen und vermass sie unter dem Lichtmikroskop, um intra- sowie intergeschlechtliche morphologische Unterschiede festzustellen. Um Daten zur Spermienkonkurrenz zu erhalten, führte ich danach noch einen Vaterschaftstest mithilfe genetischer Marker durch. Schlussendlich führte ich noch eine statistische Analyse durch, um die Ergebnisse zu vergleichen.

Ergebnisse

Die Experimente ergaben einen signifikanten Sexualdimorphismus bezüglich der Körpergrösse. Die Männchen waren im Schnitt 20 Prozent grösser als die Weibchen. Dennoch hatten Grössenunterschiede zwischen den Männchen bloss bei der Einzelverpaarung einen kleinen Einfluss auf den Paarungserfolg. Der Vergleich der Balzlatenzzeit der Männchen ergab, dass diese keinen Einfluss auf den Paarungserfolg hatte, jedoch sehr wohl auf die Paarungslatenzzeit. Die Wiederverpaarungsrate der Weibchen war mit 30 Prozent eher gering. Bei der Verpaarung mit einem Männchen war die Wiederverpaarungsrate interessanterweise rund 50 Prozent tiefer als bei der Verpaarung mit zwei Partnern.

Diskussion

Die experimentellen Resultate weisen darauf hin, dass die Grösse der Männchen eine kleinere Rolle in der sexuellen Selektion spielt, als der Sexualdimorphismus vermuten lässt. Möglicherweise gibt es andere Gründe dafür, dass scheinbar grössere Männchen selektioniert werden – wie Monopolisation von Ressourcen oder Paarungspartnern oder Kopplung mit anderen Genen, die evolutionär von Vorteil sind. Weiterhin belegen die Ergebnisse, dass eine Wiederverpaarung innert kurzer Zeit stattfindet. Dies weist stark darauf hin, dass Spermienkonkurrenz bei D. prolongata eine Rolle spielt. Dies ist insofern überraschend, da das auffällige Aussehen sowie Balzverhalten der Spezies vermuten liess, dass praktisch nur die sexuelle Selektion vor der Paarung von Bedeutung ist.

Schlussfolgerungen

Ich konnte wichtige Informationen über das Paarungssystem und die Evolution von D. prolongata gewinnen und alle meine Fragestellungen beantworten. Die sexuelle Selektion war unter Standardlaborbedingungen geringer als erwartet. Die tiefe Wiederverpaarungsrate weist einerseits auf einen bedeutenden Einfluss der Weibchenwahl hin, andererseits jedoch auch auf einen Einfluss der Spermienkonkurrenz. Weitere Vaterschaftsanalysen und Experimente mit alternativen Laborbedingungen sind für die Zukunft sehr Erfolg versprechend, um das evolutionäre Wechselspiel der sexuellen Selektion vor und nach der Paarung besser zu verstehen.

 

 

Würdigung durch den Experten

Dr. Oliver Martin

In seiner interessanten Arbeit hat Robin Jeger bei Drosophila prolongata die weibliche Wiederverpaarungsrate, und Einflüsse von diversen Faktoren auf die sexuelle Selektion, untersucht. Seine Daten zeigen, dass Wiederverpaarungsraten und daraus resultierend das Spermienkonkurrenzrisiko verglichen mit anderen Drosophila-Fliegen eher tief war. Herr Jeger konnte während seiner Arbeit sich intensiv mit evolutionsbiologischen Fragestellungen beschäftigen, sowie wertvolle Erfahrungen mit verschiedenen Labormethoden sammeln, inklusive Verhaltensbeobachtungen und molekulare Analysen (Extraktion, PCR).

Prädikat:

sehr gut

 

 

 

Academic Gateway, Zürich
Lehrer: Martin Schäfer