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Annina Stadelmann, 2004 | Horw, LU

 

In dieser Arbeit befasse ich mich mit der ethischen Rechtfertigung von Tierversuchen. Dazu wurde ein spezifischer Versuch aus dem Bereich der neurowissenschaftlichen Forschung anhand des 5-Schritte-Modells für ethische Entscheidungsfindungen analysiert. In diesem Versuch sollten Ratten lernen, bestimmte auditorische Stimuli zu unterscheiden und mit einem Belohnungsverhalten zu assoziieren. Die daraus gewonnenen Daten leisten einen Beitrag zum besseren Verständnis des Gehirns und somit der Entwicklung von neuen Medikamenten und Therapien. Basierend auf verschiedenen Interviews und tierethischen Ansätzen wurden Pro- und Kontraargumente zusammengetragen und gegeneinander abgewogen. Dabei war es wichtig, die Interessen der Gesellschaft und der direkt betroffenen Personen, sowie jene der Tiere zu beachten. Am Ende kam ich zum Schluss, dass die Durchführung dieses Tierversuches ethisch vertretbar ist. Jedoch gibt es einige Verbesserungen, welche zum Wohl der Tiere umgesetzt werden könnten.

Fragestellung

Im analysierten Versuch lernten Ratten, bestimmte Musiksequenzen zu unterscheiden und mit einem Belohnungsverhalten zu assoziieren. Für die Datengewinnung wurde den Tieren operativ ein Implantat ins Gehirn gesetzt. Mein Ziel war es, herauszufinden, ob die Durchführung dieses Versuchs ethisch gerechtfertigt ist.

Methodik

Um diese Fragestellung zu beantworten, bin ich nach dem 5-Schritte-Modell vorgegangen, welches eine Hilfestellung zur ethischen Entscheidungsfindung sein soll und habe dies meiner Fragestellung angepasst. Im ersten Schritt werden alle Fakten zusammengetragen. Danach werden die zu beantwortende moralische Frage und die Argumente beider Seiten herausgearbeitet. In einem vierten Schritt werden die Argumente gegeneinander abgewogen und eine Entscheidung getroffen, welche zuletzt in der Praxis umsetzungsfähig gemacht werden soll. Für die Beantwortung dieser Frage habe ich qualitative Interviews mit offenen Fragen mit dem Tierphilosophen Markus Wild, zwei Forschern und einer Tierschutzbeauftragen geführt. Der semi-strukturierte und leitfadengestützte Aufbau erlaubte es, die von meinen Interviewpartnern als wichtig empfundenen Informationen zu vertiefen. Für das nötige Hintergrundwissen habe ich mich auf verschiedene Internet- und literarische Quellen gestützt.

Ergebnisse

Mithilfe von drei tierethischen Aspekten konnten die verschiedenen Argumente erarbeitet werden. Der Pathozentrismus befasst sich mit der Leidensfähigkeit. Der Ansatz von Peter Singer besagt, dass gleiche Interessen von Tier und Mensch nicht unterschiedlich behandelt werden dürfen. Und der Fähigkeitsansatz von Martha Nussbaum spricht allen Lebewesen bestimmte Fähigkeiten zu, welche für die Erfüllung eines menschen- und tierwürdigen Lebens essentiell sind. Der grösste Konfliktpunkt bei der Abwägung besteht zwischen den Tieren, welche für diesen Versuch instrumentalisiert werden, und den erkrankten Menschen, welche auf die Entwicklung eines Medikamentes für ihre Heilung angewiesen sind. Ebenfalls wird bei dieser Abwägung mit Wahrscheinlichkeiten gerechnet und die Daten der Ratten können nicht direkt auf den Menschen übertragen werden. Somit stellt sich die Frage, ob ein möglicher Mehrwert aktuelles Leid rechtfertigen kann. Jedoch ist er einer von vielen ähnlichen Versuchen, welche alle zusammen einen grossen Teil zum Fortschritt der Wissenschaft beitragen. Ebenfalls ist die Ausführung der Tierversuche in der Schweiz deren im Ausland aufgrund der strengen Richtlinien vorzuziehen. Schliesslich konnte die Entscheidung getroffen werden, dass die Durchführung dieses Versuches ethisch gerechtfertigt ist.

Diskussion

Der von mir gefällte Entscheid entspricht dem offiziellen Entschied der Tierversuchskommission des Kanton Freiburg. Dies heisst jedoch nicht, dass kein Verbesserungspotential vorhanden ist. So könnte etwa das Handling der Tiere durch das «non-aversive-handling» ersetzt werden, welches den Stress der Tiere reduzieren kann. Weiter ist die Zusammenarbeit der Forscher durch die Verwendung eigener Protokolle jedes Labors erschwert und die Experimente nicht reproduzierbar.

Schlussfolgerungen

Es wäre interessant, die untersuchten tierethischen Aspekte bezüglich der Stellung der Tiere genau zu analysieren oder noch weitere Aspekte hinzuzunehmen. Grundsätzlich ist es wichtig, dass wir unseren Umgang mit Tieren immer wieder kritisch hinterfragen. Denn wir als Menschen müssen Verantwortung übernehmen für jene, welche sich nicht selbst wehren können.

 

 

Würdigung durch den Experten

Dr. Matthias Eggel

Die als Fallstudie konzipierte Arbeit analysiert detailliert mit Hilfe verschiedener ethischer Positionen, Interviews mit Forscher*innen und Ethiker*innen und des 5-Schritte Models die ethische Vertretbarkeit eines Rattenversuchs. Mit stringenter Argumentation wird dargelegt, dass der Erkenntnisgewinn und das damit einhergehende medizinische Interesse der Menschen, die Interessen der Tiere nicht zu leiden und zu sterben, überwiegt. Nichtsdestotrotz argumentiert die Autorin überzeugend für die moralische Pflicht, die Haltungs- und Behandlungsbedingungen dieser Tiere zu verbessern.

Prädikat:

sehr gut

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Kantonsschule Alpenquai Luzern
Lehrer: Dr. Tommi Mendel