Chemie | Biochemie | Medizin

 

Julia Knuchel, 2003 | Bern, BE

 

In der vorliegenden Arbeit wurde der Einfluss von Diclofenac (DCF) auf Drosophila melanogaster untersucht. Das weltweit breit eingesetzte Schmerzmittel aus Medikamenten wie Voltaren gelangt über Abwasser in die Umwelt und übt dort Effekte auf zahlreiche Nichtzielorganismen aus. Mit dieser Arbeit konnte nachgewiesen werden, dass DCF auch auf nicht wassergebundene Insekten wie Fruchtfliegen einen Einfluss innehaben kann. Die beobachtete Verminderung der Katalaseaktivität und konzentrationsabhängige Veränderung der Fortbewegungsgeschwindigkeit weisen auf eine mögliche Bedrohung der Biodiversität durch DCF hin.

Fragestellung

Am Modellorganismus Drosophila melanogaster wurde untersucht, welche Wirkung das Schmerzmittel Diclofenac auf die Fortbewegung und die Katalaseaktivität in Nichtzielorganismen hat.

Methodik

Zur Untersuchung der Effekte von DCF auf Drosophila wurde den Fliegen das Schmerzmittel ins Futter gemischt. Nebst der Kontrollgruppe ohne DCF wurde eine Gruppe mit der umweltrelevanten Konzentration von 0.1 mcg DCF/g Futter und eine mit 1 mcg DCF/g Futter aufgezogen. Die Messung der Fortbewegungsgeschwindigkeit der adulten Fliegen erfolgte durch Steigversuche mit negativer Geotaxis. Dazu wurde das reflexartige Hochklettern der Fliegen im Versuchsgefäss nach vorherigem Runterklopfen der Kontrollgruppe und der Fliegen mit 0.1 oder 1 mcg DCF/g Futter analysiert. Die Auswertung erfolgte durch Punkteverteilung nach Aufenthaltsort der Fliegen zum Zeitpunkt 7 Sekunden nach dem Herunterklopfen. Die Differenzbildung der Punkte von Fliegen mit DCF im Futter und der Kontrollgruppe zeigt, welche Gruppe sich schneller bewegt hatte. Die Katalaseaktivität wurde durch Zugabe von Wasserstoffperoxid und Triton X-100 zu einem Fliegenhomogenat gemessen. Die anschliessende Schaumbildung durch den entstehenden Sauerstoff ist abhängig von der jeweiligen Katalaseaktivität. Die Schaumhöhe erlaubt einen Vergleich der Enzymaktivitäten der Fliegen.

Ergebnisse

Die Resultate der Steigversuche mit adulten Fliegen zeigten einen konzentrationsabhängigen gegenteiligen Effekt des DCF. Die Fliegen mit 0.1 mcg DCF/g Futter erzielten im Vergleich zur Kontrollgruppe signifikant tiefere Resultate. Die Differenz der Punkteverteilung lag mit – 4 deutlich im negativen Bereich, folglich wies diese Gruppe von Fliegen eine langsamere Fortbewegungsgeschwindigkeit als die Kontrollgruppe auf (p<0.05). Die Fliegen mit 1 mcg DCF/g Futter bewegten sich im Versuchsgefäss schneller hoch als die Kontrollgruppe und erzielten in der Differenz durchschnittlich 3.6 Punkte. Somit zeigte diese Gruppe eine höhere Fortbewegungsgeschwindigkeit als die Kontrollgruppe (p<0.05). Die Resultate der Messung der Katalaseaktivität wiesen eine verringerte Schaumhöhe der Fliegen mit DCF auf. Die durchschnittliche Differenz in der Schaumhöhe der Kontrollgruppe und der Fliegen mit 1 mcg DCF/g Futter betrug 1.23 cm (p<0.05). Diese Beobachtungen lassen auf eine Reduktion der Katalaseaktivität aufgrund von DCF schliessen.

Diskussion

In dieser Arbeit wurde nachgewiesen, dass DCF einen Einfluss auf die Fortbewegungsgeschwindigkeit und die Katalaseaktivität von Drosophila ausübt. Ein möglicher Wirkungsmechanismus ist der Rezeptor des Steroidhormons Ecdyson, welcher in der neuronalen Entwicklung während der Metamorphose essenziell ist und bekanntermassen in anderen Organismen durch DCF inhibiert wird. Die gegenteiligen Beobachtungen abhängig der Konzentration DCF könnten auf eine Kombination von verschiedenen Wirkungsmechanismen hinweisen. Die nachgewiesene verminderte Katalaseaktivität ist ein Anzeichen für ein Ungleichgewicht in der Abwehr von oxidativem Stress. Diese Wirkung könnte in einer Weiterführung der Arbeit mit quantitativer Analyse der beteiligten Enzyme verifiziert werden.

Schlussfolgerungen

Die beobachteten Effekte von DCF auf Drosophila haben potentiell gravierende Folgen für die Überlebensfähigkeit. Eine veränderte Fortbewegungsgeschwindigkeit kann die Nahrungsaufnahme beeinträchtigen und somit die Überlebensfähigkeit negativ beeinflussen. Die beobachtete verminderte Katalaseaktivität weist auf eine reduzierte Fähigkeit der Fliegen im Umgang mit oxidativem Stress hin. Das kann im Organismus Erkrankungen hervorrufen und durch erhöhte Anfälligkeit gegenüber Krankheitserregern schwächen. Inwiefern diese Effekte nun in Ökosystem mit komplexer Interaktion der Spezies zu einer Bedrohung der Biodiversität führen, müsste durch Feldstudien überprüft werden.

 

 

Würdigung durch den Experten

Dr. Boris Egger

Jungforscherin Julia Knuchel geht der aktuellen Frage nach, inwiefern die Biodiversität durch medizinische Wirkstoffe in der Umwelt beeinträchtigt wird. Mit innovativen Experimenten wird der Einfluss des Antirheumatikums Diclofenac auf die Fruchtfliege Drosophila melanogaster untersucht. Die Studie wurde sorgfältig und wissenschaftlich fundiert durchgeführt. Frau Knuchel hat sich intensiv mit der Fachliteratur auseinandergesetzt und die Resultate in einen erweiterten wissenschaftlichen Kontext gestellt. Es bietet sich an, die spannenden Hypothesen der Arbeit weiterzuverfolgen.

Prädikat:

hervorragend

Sonderpreis Metrohm – London International Youth Science Forum (LIYSF)

 

 

 

Gymnasium Kirchenfeld, Bern 6
Lehrer: Dr. Stefan Meier