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Fina Girard, 2001 | Basel, BS

 

Klöster haben unsere Kultur während Jahrhunderten geprägt. Heute verlieren Kirche und Glaube in unserer Gesellschaft zunehmend an Stellenwert. Dies führt zu grossen Nachwuchsproblemen in den Frauenklöstern Mittel- und Westeuropas. Der Klosteralltag ist den meisten fremd; nur wenige finden in ihrem Alltag Berührungspunkte. Das Fremde und Abgeschlossene weckt aber auch Neugier. Anhand der Gemeinschaften des Benediktinnerinnenklosters Fahr und der Kommunität Diakonissenhaus Riehen zeigt diese Arbeit deshalb auf, wie sich das Leben in Schweizer Frauenklöstern heute abspielt. Gestützt auf historische Recherche, Feldforschung in beiden Klostergemeinschaften sowie Interviews entstand ein Reportagebüchlein. Dieses besteht aus einer Reportage, acht Kurzporträts einzelner Ordensschwestern sowie zahlreichen Fotografien. Darin werden die Herausforderungen des klösterlichen Lebens lebendig und zugänglich aufgezeichnet. Das Aufzeigen einer grossen Vielfalt von Lebensweisen, Ansichten und Schicksalen in den verschiedenen Klostergemeinschaften steht im Vordergrund. Die Reportage gibt einen Blick hinter Klostermauern frei und ermöglicht Leser/-innen, sich selbst ein Urteil über diese verschwindende und heute stark umstrittene Lebensform zu bilden.

Fragestellung

Im Zentrum dieser Arbeit stehen die individuellen Geschichten der besuchten Klostergemeinschaften. Schwerpunkt liegt dabei auf den folgenden Fragestellungen:
(I) Wie leben katholische sowie evangelische Ordensschwestern heute? (II) Was beschäftigt sie, und wie sehen sie ihre Zukunft? (III) Wie hat sich das Leben im Frauenkloster im Laufe der Zeit verändert? In einem zweiten Schritt beschäftigt sich die Arbeit damit, inwiefern die Forschungsergebnisse attraktiv vermittelt und einem Publikum zugänglich gemacht werden können.

Methodik

Zentral bei dieser Arbeit sind die Methoden der teilnehmenden Beobachtung, eine Form der Feldforschung. Während zweier Wochen wurden zwei Praktika im Kloster Fahr sowie in der Kommunität Diakonissenhaus Riehen absolviert, um den Alltag der Schwestern hautnah miterleben zu können. Dabei fanden zahlreiche Gespräche sowie semi-strukturierte, qualitative Interviews statt, bei denen vermehrt auf die subjektive Sicht der einzelnen Schwestern eingegangen werden konnte. Ergänzt wurden die gesammelten Gespräche, Erlebnisse und Beobachtungen durch Fachliteratur zur Klostergeschichte Mittel- und Westeuropas sowie zu den besuchten Klostergemeinschaften.

Ergebnisse

Neben der historischen Hintergrundrecherche liegt bei dieser Arbeit der Fokus darauf, wie die gesammelten Lebens- und Alltagsgeschichten eingeordnet und vermittelt werden können. In der entstandenen Reportage stehen Schilderungen aus dem Alltag, die Entstehungsgeschichten der beiden porträtierten Gemeinschaften, deren Überalterung sowie der Kampf der Fahrer Schwestern für mehr Frauenrechte in der katholischen Kirche im Vordergrund. Die begleitende Sammlung von acht Kurzporträts stellen jeweils eine Ordensschwester ins Zentrum, wobei bei jedem Porträt ein allgemeingültiger Aspekt des Klosterlebens beleuchtet wird. Ein Glossar erklärt die für Laien fremde Fachsprache der Klöster.

Diskussion

Aufgrund einer sehr individuellen Befragung sowie der kleinen Anzahl besuchter Klostergemeinschaften liegt dieser Arbeit klar eine qualitative Untersuchung zugrunde. Grundsätzlich kann aber davon ausgegangen werden, dass die meisten Klostergemeinschaften in der Schweiz vor ähnlichen Problemen stehen. Diese variieren jedoch abhängig von der Konfession, von den Tätigkeiten und Mitgliederzahlen der einzelnen Gemeinschaften. Daher ist die Entscheidung, eine Reportage als finale Form der Arbeit zu wählen, sinnvoll. Die journalistische Aufarbeitung der Thematik ermöglicht eine differenzierte, persönliche und sehr zugängliche Schilderung des Klosteralltags. Der Fokus liegt klar auf den Einzelschicksalen, die beispielhaft für das Schicksal vieler Klostergemeinschaften stehen.

Schlussfolgerungen

Die Frauenklöster stehen alle vor grossen Herausforderungen. Es bedarf einer Liberalisierung des Klosterlebens, wenn diese Lebensform auch zukünftig für junge Frauen attraktiv sein soll. Besonders in den katholischen Klostergemeinschaften ist ein grosses Bedürfnis nach mehr Mitspracherecht vorhanden. Die Form einer Reportage ermöglicht es, mit Vorurteilen aufzuräumen und die Vielfalt innerhalb von Klostergemeinschaften aufzuzeigen. Eine allfällige Veröffentlichung des Reportagebüchleins könnte daher von Interesse sein.

 

 

Würdigung durch den Experten

Ivo Berther

Fina Girard untersucht und beschreibt in ihrer Wettbewerbsarbeit den Alltag zweier Klöster mit einer innovativen Herangehensweise. Einerseits erlaubt die gewählte Methode der «teilnehmenden Beobachtung» einen umfassenden Einblick in das Leben der Klosterfrauen und andererseits eröffnet das Zusammenleben, – arbeiten und beten – einen persönlichen Zugang zu den porträtierten Schwestern. Die Autorin präsentiert die Resultate ihrer Feldforschung in einer ansprechenden Reportage, welche durch die präzise Schilderung des klösterlichen Alltags sowie der vielen individuellen Geschichten überzeugt.

Prädikat:

sehr gut

 

 

 

Gymnasium Leonhard, Basel
Lehrerin: Dr. Arlette Schnyder