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Carina Stöcklin, 2001 | Untersiggenthal, AG

 

Wie komme ich an die Macht? Gibt es Ähnlichkeiten zwischen den Wahlkämpfen der Römischen Republik und jenen von heute? Sind die Wahlkampfstrategien, die Quintus Tullius Cicero in seinem Commentariolum petitionis niedergeschrieben hat, noch heute gültig? In einer umfassenden Recherchearbeit wird der Wahlkampf von Marcus Tullius Cicero, dem berühmten Redner aus der Antike, mit jenem von Donald J. Trump verglichen. Dazu ist ein Interview mit Landammann Dr. Markus Dieth geführt worden, um die Wahlkampfsituation in der Schweiz zu untersuchen. Die Recherche hat gezeigt, dass viele der Wahlkampfstrategien von Cicero noch heute angewendet werden: Beispielsweise sind Volksnähe, Negativpropaganda, Versprechen und Grosszügigkeit auch im 21. Jahrhundert noch relevant. Anhand dieser Maturaarbeit erkennt man, dass die Interaktion zwischen dem heutigen Kandidaten und seiner Wählerschaft jener von vor 2000 Jahren recht ähnlich ist. Die Wahlkampfstrategien können zwar das gewünschte Wahlergebnis nicht garantieren, aber sie bilden eine gute Basis für eine erfolgreiche Wahlkampagne.

Fragestellung

(I) Gibt es Parallelen zwischen den Wahlkämpfen der Römischen Republik und heute? (II) Werden Quintus Tullius Ciceros Wahlkampfstrategien von modernen Politikern noch eingesetzt?

Methodik

Diese Arbeit ist in drei Teile geteilt, von denen zwei mit aufwendiger Recherche verbunden sind. Der erste Teil behandelt das Wahlsystem der Römischen Republik und die Analyse der Wahlkampfstrategien von Cicero. Gearbeitet wurde insbesondere mit dem Commentariolum petitionis. Im zweiten Teil wurden moderne Wahlkämpfe allgemein und US-amerikanische Präsidentschaftswahlkämpfe vertieft untersucht. Dazu gehört das Interview mit Dr. Dieth. Im dritten und letzten Teil werden die Erkenntnisse zu den drei Persönlichkeiten zuerst tabellarisch verglichen. Danach wird das Fazit daraus gezogen.

Ergebnisse

Die Resultate der Arbeit sind offensichtlich: Viele der Wahlkampfstrategien von Cicero werden noch heute angewandt. Dazu gehören neben Volksnähe, Negativpropaganda, Versprechen und Grosszügigkeit auch das Kandidatenimage und die Sicherung der Unterstützung durch Familie und Freunde. Im Wahlkampf sind einflussreiche Bekannte heute wie damals wichtig. Ausserdem meinte schon Cicero, dass ein Wahlkampf ein schillerndes Spektakel sein muss: Trumps Wahlkampf war medienwirksam inszeniert und wurde weltweit verfolgt. Doch lassen sich auch markante Unterschiede feststellen: So war es für Trump von Vorteil, ein politischer Aussenseiter zu sein, während Cicero seinen Status als Emporkömmling kompensieren musste. Ausserdem kontrastiert ihr Verhalten im Hinblick auf das Tagesgeschehen: Trump kann sich über jegliche politischen, gesellschaftlichen und sozialen Themen frei auslassen, egal, ob sie seinem Wahlkampf dienen oder nicht. Er hat die Freiheit, sich auch zu politischen Diskussionen ungehemmt zu äussern, während diese Möglichkeiten Cicero als künftigem Konsul nicht gegeben waren. Er musste nach Aussen neutral erscheinen und durfte sich deswegen an Diskussionen über tagespolitische Themen kaum beteiligen.

Diskussion

Abschliessend lassen sich beide Fragestellungen beantworten: Parallelen zwischen den heutigen und den antiken Wahlen lassen sich unschwer ziehen; die Wahlkampfstrategien von damals werden noch heute gebraucht. Natürlich haben sich im Lauf von 2000 Jahren Elemente wie Wahlsystem oder Wahlrecht verändert. Die heutige Technologie lässt den Kandidaten und sein Team von Möglichkeiten profitieren, die selbst in den kühnsten Vorstellung Ciceros nicht existierten: Big Data, soziale Medien, die Chance, die Stimmbevölkerung immer schneller und präziser anzusprechen. Die Essenz der Wahlen und der Wahlkämpfe, also die demokratische Ernennung des Anführers eines Staates, hat sich aber nicht verändert.

Schlussfolgerungen

Aus dieser Arbeit kann man Schlüsse über Gesellschaft, Geschichte und Politik ziehen. Menschen scheinen schon immer eine Affinität zu Spektakeln in der Politik gehabt zu haben. Sie waren schon immer empfänglich für Charme und Charisma bei Kandidaten. Die Wählerschaft sucht heute wie damals einen Heilsbringer, einen Kandidaten, der die langersehnte Veränderung mit sich bringt. Sachthemen und Fakten scheinen im Wahlkampf wenig Platz zu haben. Korruption wurde schon zu Zeiten Ciceros (mehr oder minder erfolgreich) bekämpft. Zum Schluss lässt sich sagen, dass die Menschen des 21. Jahrhunderts ihren antiken Vorfahren mehr ähneln, als man es glaubt.

 

 

Würdigung durch den Experten

Dr. des. Edward Weber

Die Arbeit von Carina Stöcklin überzeugt durch ihren klaren roten Faden und ihre systematische Vorgehensweise von der Methodik bis hin zur Analyse und Interpretation. Dazu kommt, dass sie mit ihrer Forschungsfrage eine hochaktuelle Thematik aufgreift. Die Erkenntnis, dass Negativpropaganda und Populismus in Wahlkämpfen nicht primär Phänomene der Neuzeit sind, ist dabei ebenso interessant wie diejenige, wonach politisches Aussenseitertum heute einem Kandidaten oft zum Vorteil gereicht, während dies zur Zeit der römischen Republik noch ein nur schwer aufzuwiegender Nachteil darstellte.

Prädikat:

gut

 

 

 

Kantonsschule Wettingen
Lehrerin: Sabine Bruggisser