Biologie | Umwelt

 

Sophie Wiesmann, 2002 | Bottmingen, BL

 

In den letzten Jahren traten aufgrund der Klimaerwärmung immer häufiger Blüten toxischer Cyanobakterien auf, die sich aufgrund der steigenden Wassertemperaturen und der Überdüngung der Gewässer plötzlich massenhaft vermehren können. Über 90 Prozent dieser Blüten im Süsswasser werden von der Art Microcystis aeruginosa (M. aeruginosa) gebildet, die das Cyanotoxin Microcystin (MC) produzieren kann. Dieses Peptid hat eine toxische Wirkung auf viele aquatische Organismen, beispielsweise auf die häufig auftretende Grünalge Scenedesmus acuminatus (S. acuminatus). Die MC-Synthese wird durch verschiedene Umweltbedingungen beeinflusst, insbesondere auch durch die Temperatur. Das Ziel dieser Arbeit war herauszufinden, wie eine Temperaturerhöhung die MC-Synthese beeinflusst und damit die Toxizität von M. aeruginosa auf S. acuminatus verändert.

Fragestellung

In Studien zum Einfluss der Temperatur auf die MC-Synthese wurde festgestellt, dass die MC-codierenden Gene besonders bei Temperaturstress hochreguliert werden. In dieser Arbeit habe ich deshalb untersucht, welche Auswirkungen unterschiedliche Wassertemperaturen auf die Toxizität von M. aeruginosa auf eine Grünalge haben. Primär wollte ich herausfinden, bei welcher Temperatur (20 °C, 25 °C, 30 °C) das Wachstum der Grünalge durch die temperaturabhängige MC-Produktion und Freisetzung am stärksten inhibiert wird.

Methodik

Um die Toxizität von M. aeruginosa zu bestimmen, habe ich die Grünalge mit zwei unterschiedlichen M. aeruginosa-Stämmen kokultiviert und die Zellabsorption der Grünalge und der Cyanobakterien in regelmässigen Zeitabständen während dreier Tage gemessen. Als Kontrollexperiment diente eine Kokultur von S. acuminatus mit einer M. aeruginosa-Mutante, die MC nicht herstellen konnte. Parallel dazu wurde die Grünalge mit einem MC-produzierenden Wildtyp kultiviert. So konnte die Wachstumsrate (WR) der Grünalge mit und ohne MC verglichen werden. Die drei Stämme wuchsen jeweils bei 20 °C, 25 °C und 30 °C in 12-Well-Mikrotiterplatten. In einer Verdünnungsreihe der M. aeruginosa-Zellkonzentration wurden zudem vier verschiedene Verhältnisse der Zelldichten von Cyanobakterien zu Grünalgen erzeugt.

Ergebnisse

Nach 72 Stunden betrug die WR der Grünalge 1,8 in Kokultur mit der Mutante und 0,9 mit dem Wildtyp. Im Gegensatz dazu wurde bei 20 °C und 25 °C kein signifikanter Unterschied zwischen der WR der Grünalge mit der Mutante und dem Wildtyp festgestellt. Die Wachstumsoptima sowohl der beiden Cyanobakterien-Stämme als auch der Grünalge in Kokultur lagen jeweils bei 30 °C. Ausserdem wurde beobachtet, dass alle Stämme, unabhängig von der Temperatur, bei der niedrigsten Anfangskonzentration der Verdünnungsreihe besser wuchsen als bei den höheren. Gleichzeitig nahm die Wachstumsinhibition der Grünalge durch den Wildtyp mit steigender Zellkonzentration ab.

Diskussion

Die grösste Menge von MC wurde vom Wildtyp bei der höchsten Temperatur freigesetzt, was zur Wachstumsinhibition der Grünalge führte. Da gleichzeitig auch die WR von M. aeruginosa bei 30 °C am höchsten war, korrelierte die Produktion und Freisetzung von MC mit der Zellteilungsrate. Demzufolge könnte die höhere Energieverfügbarkeit bei 30 °C im Vergleich zu anderen Temperaturen die energetisch aufwendige MC-Synthese und den aktiven Transport von MC über die Zellmembran fördern. Insbesondere war der MC-Transport im vorliegenden Experiment eine Voraussetzung für die Toxizität von M. aeruginosa und somit ein entscheidender Faktor für die messbare Wachstumsinhibition der Grünalge. Die Resultate bei unterschiedlichen Anfangskonzentrationen von M. aeruginosa deuten darauf hin, dass die MC-Synthese und die Freisetzung zudem bei höherer Nährstoffkonzentration und grösserem Verhältnis zur Grünalge gesteigert werden.

Schlussfolgerungen

Zusammenfassend zeigt diese Arbeit, dass bei dem Cyanobakterium M. aeruginosa eine Temperaturerhöhung von 20 °C auf 30 °C zur gesteigerten MC-Synthese beziehungsweise MC-Freisetzung führt. In Anbetracht der Klimaerwärmung könnten demzufolge in Zukunft die Toxizität von M. aeruginosa-Blüten verstärkt auf das Wachstum anderer Organismen, beispielsweise die Grünalge S. acuminatus, wirken und somit die Zusammensetzung der Planktongemeinschaften aquatischer Ökosysteme drastisch verändern. Um genauere Aussagen über die zukünftige Toxizität der Cyanobakterien-Blüten zu machen, wäre es allerdings wichtig, den ökologischen Vorteil der MC-Synthese für M. aeruginosa besser zu verstehen.

 

 

Würdigung durch den Experten

Prof. Dr. Jakob Pernthaler

Frau Wiesmann testete in ihrer Arbeit die Hypothese, ob toxische Sekundärmetaboliten einer Cyanobakterienart (Microcystine) das Wachstum einer Grünalgenart negativ beeinflussen. Dazu führte sie Kokultur-Experimente mit beiden Algen bei verschiedenen Wachstumstemperaturen durch. Als Kontrolle diente eine Cyanobakterien-Mutante ohne Toxinproduktion. Die Laborversuche zeigten eine statistisch signifikante, temperaturabhängige Wachstumshemmung der Grünalge durch die Toxine. Die eingereichte schriftliche Arbeit ist inhaltlich auf hohem Niveau und zeugt von intensiver Beschäftigung mit der Materie.

Prädikat:

hervorragend

Sonderpreis Aldo e Cele Daccò – European Union Contest for Young Scientists (EUCYS)

 

 

 

Gymnasium Oberwil
Lehrer: Stefan Toth