Biologie | Umwelt

 

Selina Furger, 2003 | Masein, GR

 

Die Rückkehr des Wolfes ist im Kanton Graubünden ein sehr aktuelles Thema, das sehr emotional diskutiert wird. Das Ziel dieser Arbeit war es, herauszufinden, wo sich in Graubünden Wolfsrudel wohl fühlen und nach welchen Kriterien sie sich ihre Lebensräume aussuchen. Anhand dieser, mit Hilfe von Fachexperten und unter Beizug von Fachliteratur selbst bestimmten Faktoren wurde mittels einer Geoinformationssystem-Software ein Experten-Habitat-Modell für Wolfsrudel im Untersuchungsgebiet Kanton Graubünden erstellt. Dem Habitat-Modell kann man entnehmen, dass Graubünden Platz für 12 Rudel bietet und dass sich vor allem in den Regionen Moesa, Albula, Bernina, Plessur, Surselva, Landquart und in der Teilregion Prättigau geeignete Gebiete für Wolfrudel befinden.

Fragestellung

Die Wolfspräsenz ist auch im Kanton Graubünden zur Realität geworden, doch wo fühlen sich Wolfsrudel überhaupt wohl? Nach welchen Kriterien wählen sie ein Gebiet als ihr Territorium aus? Im Rahmen dieser Arbeit wurde folgender Fragestellung nachgegangen: Wo befinden sich im Kanton Graubünden geeignete Habitate, wo sich Wolfsrudel niederlassen könnten?

Methodik

Um diese Fragestellung beantworten zu können, wurde mit Hilfe der Geoinformationssystem-Software QGIS anhand von selbstbestimmten Faktoren ein Expertenmodell mit Vektordaten für Wolfsfamilien im Untersuchungsgebiet Kanton Graubünden erstellt. Zur Bestimmung der relevanten Faktoren und Erstellung der Theorie wurde Fachliteratur einbezogen, und es wurden zahlreiche Gespräche bzw. Interviews mit Fachpersonen geführt. Als Kriterien für geeignete Wolfsrudel-Reviere wurde der «Zugang zu guten Jagdgebieten» (in Bezug auf Hirsche) und «gute Rückzugsmöglichkeiten» bestimmt. Ausserdem im Modell berücksichtigt wurden eingezäunte Nationalstrassen, da diese für Wölfe Barrieren darstellen. Auf dem fertiggestellten Habitat-Modell wurden dann potenzielle Wolfsrudel-Territorien bestimmt und eingezeichnet.

Ergebnisse

Anhand des erstellten Habitat-Modelles konnte eine Vorkommens-Wahrscheinlichkeit von Wolfsrudeln im Untersuchungsgebiet abgeschätzt werden. Ausgehend von einer durchschnittlichen Reviergrösse von 250 km2, kann man dem Habitat-Modell entnehmen, dass Graubünden ein Potenzial für 12 Wolfsrudel aufweist und dass sich vor allem in den Regionen Moesa, Albula, Bernina, Plessur, Surselva, Landquart und in der Teilregion Prättigau geeignete Gebiete für Wolfsfamilien befinden. Bei den vorliegenden Resultaten handelt es sich jedoch nur um eine Annahme.

Diskussion

Aufgrund des Vergleichs der Reviere der Wolfsrudel, die in Graubünden leben bzw. sich in den letzten Jahren etabliert haben, mit den Ergebnissen der Habitatmodellierung, kann man folgendes feststellen: Das Habitat-Modell ist tauglich, da sich Wolfsrudel bereits in den auf der Karte definierten gut bis hervorragend geeigneten Gebieten niedergelassen haben. Die Fragestellung der Untersuchung konnte also beantwortet werden. Allgemein muss aber gesagt werden, dass sich Rudel auch in vom Modell als schlechter geeignet eingestuften Regionen niederlassen könnten, da der Wolf eine sehr plastische Spezies ist. Aufgrund der hohen Schalenwildbestände und der geringen Besiedlungsdichte Graubündens gibt es so gut wie keine Gebiete, die nicht Teil eines Wolfsrudel-Reviers sein könnten. Die Ergebnisse dieser Untersuchung könnten z.B. auch für den Herdenschutz von Bedeutung sein. Anhand des Habitat-Modelles könnten Alpen, die in sehr guten bis hervorragend eingestuften Gebieten liegen, vorzeitig auf eine Konfrontation mit Wölfen vorbereitet und so Herdenangriffe verhindert werden. Beim Erstellen des Expertenmodells wurde mit Vektordaten und Farbverläufen gearbeitet. Aufgrund dieses Vorgehens kann man nur anhand der unterschiedlichen Färbung annehmen, wie geeignet ein Revier für Wolfsfamilien ist. Die Gebiete haben jedoch keine mathematischen Werte für die Gebietseignung. Ein zielführender Ansatz wäre, eine Rasterkarte anzufertigen, bei der jedes Quadrat einen zugehörigen Wert der Lebensraumqualität verkörpert.

Schlussfolgerungen

Anhand des erstellten Habitat-Modells kann man eine Vorkommens-Wahrscheinlichkeit für Wolfsrudel im Raum Graubünden annehmen. Ausserdem hat man nun eine neue Vorstellung, wo sich potenziell Wolfsrudel niederlassen könnten. Somit konnte die Fragestellung beantwortet werden. Die Ökosysteme auf Bündner Boden könnten also ohne weiteres 12 Wolfsfamilien beherbergen. Der Kanton weist genügend geeigneten Raum und ausreichend Beutetiere auf. Die Frage ist wohl eher, ob die Gesellschaft des Kanton Graubündens mit viel Land- und Alpwirtschaft bereit ist, sich ihren Lebensraum mit dem Wolf zu teilen.

 

 

Würdigung durch den Experten

Dr. Fridolin Zimmermann

Das von Frau Furger gewählte Thema ist sehr vielseitig und komplex. Sie hat sich mit der Biologie und Ökologie des Wolfes sowie mit der Koexistenz von Mensch und Wolf in unserer Kulturlandschaft intensiv auseinandergesetzt und sich mit dem GIS und der Habitat-Modellierung vertraut gemacht. Sie hat sehr viel Neugier, Eigeninitiative und Ausdauer gezeigt und konnte die vielen Herausforderungen meistern. Sie ist auch kritisch geblieben und hat die Verbesserungsvorschläge, die ihr entgegengebracht wurden, minutiös in die Arbeit einfließen lassen. Dabei ist eine spannende Maturaarbeit entstanden.

Prädikat:

sehr gut

Sonderpreis Forschung auf dem Jungfraujoch

 

 

 

Bündner Kantonsschule, Chur
Lehrer: Jürg Caprez