Eine überraschende Reise – geschrieben von Andri Hubalek und Michal Oskedra

Beim Nationalen Wettbewerb hatte ich keinen Sonderpreis gewonnen. Und damit war ich auch ziemlich glücklich – schliesslich musste ich mich so langsam mal auf die Maturaprüfungen vorbereiten. Die intensive Auseinandersetzung mit dem Stoff der letzten vier Jahre Kantonsschule würden recht viel Zeit beanspruchen, und ich war froh, diese Zeit voll zu meiner Verfügung zu haben.

Als ich dann kurz vor besagten Prüfungen stand – und alle geplanten Vorbereitungen gekonnt vernachlässigt hatte – versandte SJf eine E-Mail, in welcher nach Teilnehmern gesucht wurde, welche an die Expo-Sciences Europe in Suceava, Rumänien reisen wollen. Da meine Ferienplanung ähnlich produktiv verlaufen war wie meine Prüfungsvorbereitung, schrieb ich zurück, dass ich mir eine Teilnahme gut einrichten könne…


Die Festung in Suceava

Am frühen Morgen des 24.07.2022

ging es dann also vom Flughafen Zürich aus los, erst nach Bukarest, dann von dort weiter nach Suceava, zwei relativ kurze Flüge. Ich konnte zusammen mit den beiden Betreuungspersonen von SJF, Julián und Cecilia Cancino, reisen. Der andere Teilnehmer von SJF, Michal Oskedra, würde erst am nächsten Tag eintreffen. Vom Flughafen in Suceava wurden wir abgeholt und in einem kleinen Bus zur Universität «Stefan cel Mare» gebracht. Besagter Stefan war der König eines mittelalterlichen Vorläuferstaates in der Region, wie wir am Nachmittag erfahren durften, als wir durch die Stadt geführt wurden und die örtlichen Museen besuchten. Das historische Museum bestand aus chronologisch aufgebauten Räumen, welche einen spannenden Überblick über die vorzeitliche bis moderne Geschichte gaben.

Die eigentliche Expo begann dann am darauffolgenden Montag mit dem Aufstellen der Stände, was, angesichts der relativen Einfachheit meines Standes – einem Plakat sowie einem iPad – relativ schnell geschehen war. Es blieb also ein wenig Zeit, um die anderen Teilnehmer und ihre Projekte kennenzulernen. Am Nachmittag folgte dann ein Besuch im Planetarium der Universität und die offizielle Eröffnungsfeier, welche zwei Stunden beanspruchte und von diversen Reden und musikalischen Einlagen gefüllt wurde. Mehr Musik gab es dann am Abend an der Universität, als jede Delegation das eigene Land ein wenig präsentieren konnte.


Der Dienstag begann ähnlich wie der Montag – und doch anders:

Ausstellung sowie teilweises Aufstellen der Stände, da sich einige Poster der Gravitation fügten und heruntergefallen waren. Gleich weiter mit derartigen Naturgesetzen ging es mit Präsentationen, darunter eine eines Forschers am CERN. Julián und Michal kennen sich mit dem Fachgebiet Physik ein wenig besser aus als ich, aber ich konnte ihrem Gespräch wenigstens folgen. Nachmittags folgte dann eine Führung durch die Universität, während welcher wir die verschiedensten Labore und technischen Spielereien zu sehen bekamen. Von den Testräumen für elektromagnetische Strahlung und monitorgefüllten Wänden ging es dann am Abend weiter zur Festung von Suceava, welche wir in Gruppen erkundeten.


Die Stadt, fotografiert während meines Spazierganges am Mittwochnachmittag:

Der Vormittag des Mittwochs bestand wiederum aus der Ausstellung

Ausserdem gab es die Möglichkeit, das eigene Projekt in einer kurzen Präsentation vorzustellen, welche ich auch nutzte. Danach wurde mit jedem Teilnehmenden ein einminütiges Kurzinterview durchgeführt. Gegen Mittag hin wurden die Stände dann abgebaut, der Nachmittag stand zur freien Verfügung. Ich lief ein wenig durch die Stadt und schliesslich zum Einkaufszentrum, wo sich einige andere Teilnehmende bereits hinbegeben hatten. Der Spaziergang war sehr spannend, auch wenn mich einige Beobachtungen ein wenig irritierten. So zählte ich während einer Stunde ganze fünf verschiedene Bestattungsunternehmen.

Der Donnerstag bestand dann aus Workshops am Vormittag und einer Schnitzeljagd am Nachmittag

Im Debattier-Workshop diskutierten wir darüber, welche Persönlichkeit aus einem abstürzenden Heissluftballon geworfen werden sollte. Es entwickelte sich ein Konflikt zwischen Greta Thunberg und Margaret Thatcher. Bei der Schnitzeljagd rannten wir dann im Stadtzentrum und fotografierten verschiedenste Sehenswürdigkeiten. Die Aktivität war durchaus unterhaltend, hatte aber auch zwei klare Nachteile. Einerseits wurden alle Bilder laufend zur Verifikation in den Gruppenchat gestellt, was für mich zum Verbrauch eines stolzen Gigabytes an Roaming-Datenvolumen führte. Andererseits gewann ein anderes Team.


Während der Schnitzeljagd. Im Bild freunde ich mich gerade mit der örtlichen Flora an, weswegen ich nur in Teilen zu sehen bin:

Am letzten Tag, dem Freitag, fand eine eintägige Exkursion statt

während welcher wir einige Orte in der Region besuchten. Darunter waren zwei Kloster, welche aufgrund ihrer eindrücklichen Bemalung als UNESCO Welterbe anerkannt sind. Ausserdem besuchten wir Töpfer und konnten beim traditionellen Eierbemalen zuschauen. Dabei werden die nicht zu färbenden Stellen mit Wachs bemalt und das Ei daraufhin gefärbt. Auf die Exkursion folgt die Abschlussfeier, bei welcher Medaillen und Zertifikate verteilt wurden. Ich blieb noch bis Samstagabend an der Universität, wurde dann in ein Hotel gebracht, welches ich um 3 Uhr morgens auch schon wieder verlassen musste, um den Flug zurück nach Bukarest zu erwischen. Von dort ging es zurück nach Kloten, wo ich um Mittag ankam.


Endlich war ich da: Der Bahnhof von Suceava. Ein mächtiges Gebäude aus rotem Backstein und damit der Anfangspunkt meines Abenteuers, wo ich zum ersten Mal meine Arbeit auf einem internationalen Event präsentieren konnte.


Meine Reise hat eigentlich vor anderthalb Jahren begonnen

Ich war gerade kurz vor der Abgabe der Projektanmeldung für meine Maturarbeit, doch mir fehlte es an Ideen. Als technisch visiert, lies ich mich viel in die Energiewende ein und wusste, dass meine Arbeit in diese Richtung gehen sollte. Doch alles schien entweder erfunden oder ausserhalb meinen Kapazitäteten zu sein. Alex, ein befreundeter Physikstudent, erzählte mir dann von seiner Arbeit. Er erforschte eine Magnetanordnung, die in Magnetbahnen eingesetzt werden konnte, um sie ohne komplizierte Apparatur zum Schweben zu bringen. «Tolle Erfindung, aber schwer damit etwas anzufangen», fasste er zusammen. Dann kam der Durchbruch, ich entwickelte folgende Idee: Ich könnte seine Magnetanordnung in eine Lagerung einbauen, die über Drehbewegung Energie speichern konnte. Eine Erfindung, die schon damals für die Energiewende bedeutend sein könnte, die heute ein noch mehr präsentes Thema ist. Das wurde zum Thema meiner Maturarbeit, nachher die Arbeit für Schweizer Jugend forscht, die mich schlussendlich nach Suceava gebracht hatte. Dazwischen lagen mehrere Hundert Stunden Arbeit und eine ganze Nacht Zugfahrt an das andere Ende von Europa.



Ich wusste nicht, was ich genau erwarten sollte, ich war immer noch überrascht, so weit gekommen zu sein. Auf jeden Fall wollte ich meine Arbeit vorstellen und mich mit Leuten aus anderen Ländern darüber austauschen und Feedback einholen. Anderseits auch diese Leute kennenlernen und erfahren, wie die Forschungsarbeit in ihren Länder aussieht.

«Du bist Michal, oder?»

brachte micht aus diesen Überlegungen Rozemarie, eine Helferin, die mich abholen sollte. Wir stiegen in ihr Auto und fuhren durch die verstopften Strassen von Suceava. Merkwürdig waren die riesigen Wohnhäuser, die die ganze Stadt umspannten: Statt für die Osteuropa typischen grauen Plattenbauten, schien jede Wohneinheit ein eigenes Leben zu führen. Ein einziges Wohnhaus konnte verschiedenste Farben, Fenstersimse oder Anbauten haben. So kamen wir endlich zur Universität «Stefan cel Mare», wo die Ausstellung stattfand. Ich kam an im richtigen Moment, da die Eröffnungszeremonie gerade angefangen hat. Diese war die erste der vielen Zeremonien, die wir während des Events miterlebt hatten. Mit vielen Reden, Musik, und Danksagungen. Sehr festlich, offiziell, lange. Man erhielt den Eindruck, die Organisatoren aus Rumänien waren sehr stolz darauf Milset, unter dessen Namen die Ausstellung stattfand, in ihrem Land begrüssen zu können.

Am folgenden Tag während dem Besuch von der Uni konnten sie kaum aufhören uns mit Begeisterung über ihre Labore zu erzählen. Es war beeindruckend wie eine kleine Stadt  eine derartig vielseitige Uni aufbauen konnte: Die Fakultäten reichten von Maschinenbau bis zur slavischen Literatur.



Die ganze Welt an einer Ausstellung

All die Zeremonien waren sehr beeindruckend, doch die Ausstellung war der Kernpunkt der Veranstaltung, auf den alle warteten. Im Hauptgebäude der Uni waren die Stände der Delegationen alfabetisch in zwei Reihen aufgestellt: unser Stand der Schweizer Delegation war zwischen Slovenien und Spanien. Viele Länder aus Europa waren eingeladen, zusammen mit Delegationen aus Südkorea und Nepal. Unsere Delegation bestand ausserdem aus einem weiteren Teilnehmenden, Andri, sowie Juliàn und Cecilia, die uns begleitet haben. Kaum am Stand angetroffen, hat mich ein Mädchen angesprochen: «Hab gehört, du sprichtst polnisch?» Tatsächlich sind es meine Wurzeln, ich habe eine Zeit lang in Polen gewohnt, und die dortige Sprache als Muttersprache erlernt. So haben wir Alexandra kennengelernt, die ein Teil der Luxemburger Delegation war. Ihre Eltern arbeiten für das EU-Parlament und sie war sehr an der Arbeit von Andri interessiert, der ein Model für Schweizer Abstimmungen entwickelte.



Das Beste an der Ausstellung

An einen Stand einer Delegation zu gehen, sich auszutauschen, zu lernen wie die Schule, Uni und Forschungsarbeit in ihren Ländern aussieht. Das war die schnellste Weise um Leute kennenzulernen. Devin aus der Türkei war sehr freundlich und erzählte von ihrer Arbeit über ein Origami-Test zum Nachweis von biologischen Verunreinigungen. Es war beeindruckend, wie sie in ihrem Land so viele Fachpersonen für ihre Forschung einbeziehen konnte und wie sie aus einer Idee ein funktionierendes Produkt entwickeln konnte. Ein Teilnehmer aus Südkorea hat seine Arbeit über den Einfluss von magnetischen Feldern auf die Existenz von Exoplaneten geschrieben. Er erzählte ebenfalls vom Leistungsdruck in der Schule, und wie er sich auf die Aufnahmeprüfungen für die Studien vorbereitet. «Der Prüfungstag ist bei uns wie wie ein Festtag», erzählte er. «Autos stoppen, Leute legen ihre Arbeit nieder. Alles, damit wir ungestört unsere Aufnahmeprüfung schreiben können, die über unsere Zukuft bestimmt». Ich fand es komisch ihm dann zu erklären, dass bei uns in der Schweiz die Leistungen während der ganzen Schul- und dann Studienzeit über den Abschluss bestimmen – statt eine einzige Prüfung. Wie glücklich wir sind! Viele Leute aus Rumänien kamen aus der gleichen Stadt, wo die Ausstellung stattgefunden hat. Sie waren einiges jünger. «Bei uns in der Schule werden die Wissenschafts-Wettbewerbe sehr gefördert» erzählten sie. Viele von ihnen haben schon an zahlreichen Wettbewerben teilgenommen und es war klar, dass sie noch an vielen teilnehmen werden.



Neben der Ausstellung gab es viele Exkursionen in der Umbegung der Stadt. An einem Tag besuchten wir die Zitadel. Dort hatte Stefan der Grosse, der lokale Herrscher, nach dem die Uni benannt wurde, seinen Sitzplatz. Die Reiseführerin erzählte mit Stolz, dass die Burg nie erobert wurde – trotz mehreren Angriffen von Ottomanen und Polen. Da erwachte mein Interesse, da ich ebenfalls darüber in den polnischen Büchern las. Doch die zeigten die Ereignisse in vollkommen anderem Licht. Das gab mir zu denken, wie subjektiv Geschichte vermittelt werden kann…



Nun kam die Zeit, wo ich die Arbeit vor allen vorstellen sollte. Ein Mikrofon in der Hand, ein Batch um den Hals. Ich habe das schon mehrmals gemacht, ich habe immer wieder mit meinen Kollegen über meine Arbeit gesprochen. Dann habe ich mal vor den Lehrpersonen meine Maturarbeit vorgestellt und schlussendlich beim Nationalen Wettbewerb in der Schweiz vor den Juroren gesprochen. Doch nie war das Publikum so gross und so vielseitig.



Ein recht besonderes Erlebnis, sich über dein Werk mit den Leuten aus anderen Teilen der Welt auszutauschen. Trotz allen Sprach- und Bildungssystemunterschieden fällt es sehr leicht, ein Verständnis füreinander zu finden. Denn jede Forschungsarbeit hat eine eigene, einzigartige Entstehungsgeschichte. Meine Präsentation ist gut angekommen. Ich konnte mit einigen Professoren und Betreuer Emails austauschen und mit den Teilnehmenden bin ich teilweise weiterhin in Kontakt. Diese Kontakte bleiben, wenn wir in der Zukunft zusammen Forschung betreiben.