Zürich-Namibia-London – geschrieben von Anna

April 2023 – St. Gallen – Feier des 57. Nationalen Wettbewerbs 2023

Glücklich und zufrieden lauschten meine Kollegen und ich den Reden über Richtung und Visionen im Leben. Zwei unglaubliche Tage waren vergangen und ich fragte mich, mit einem lachenden und einem weinenden Auge, ob dies nun der Punkt ist, an dem die Reise mit meiner Maturarbeit zu Ende sein würde. Über die letzten zwei Jahre hatte sie mich bis zu diesem Zeitpunkt begleitet. Als ich das Thema meiner Arbeit ausgesucht hatte, hätte ich nie gedacht, dass ich ihr so lange verbunden bleiben würde. Vieles hat sie mich über Grautöne in dieser Welt und meine Interessen gelehrt. Nie hätte ich gedacht, dass sie mir so viele Türen öffnen würde, und keine Ahnung hatte ich in diesem Moment, wie viele weitere sie mir noch öffnen würde. «Nun ist es alles zu Ende», dachte ich. Der Vorsteher der Fachgruppe Geschichte, Geografie, Wirtschaft, Gesellschaft tritt auf die Bühne, und der Moment für die Preisverteilung unserer Fachgruppe ist gekommen. In einem Wechselspiel aus tosendem Applaus und gespanntem Schweigen werden Prädikate und Sonderpreise meiner Kollegen verkündet und ich kann mein Glück, immer noch nicht ganz fassen, Teil dieser Gruppe beeindruckender junger Leute zu sein.

Dann bin ich dran: Ich sehe mein Foto auf dem Schirm erscheinen und höre meinen Namen «Prädikat hervorragen und Sonderpreis des Eidgenössischen Departments für auswärtige Angelegenheiten». Mein Herz macht einen Sprung und die Zeit bleibt stehen. Ich kann mich bis heute, abgesehen von einem tranceähnlichen Zustand mit einem unbeschreiblichen Gefühl von Freude und Unglauben, nicht an die nächsten Minuten erinnern, bis einer meiner Freunde mich kneift. Bis zum Antritt meines Praktikums wird ein gutes halbes Jahr vergehen; bis dahin soll mir die Aussicht auf das Praktikum ein Begleiter und Ansporn sein. Eine Erinnerung daran, dass man nie weiss, wohin einem Einsatz und Herzblut für eine Sache bringen können.


November 2023, Montague Place London UK

Es ist so weit: Ich schiele um die Ecke auf das Gebäude, an dessen Fassade stolz die Schweizer Fahne weht. Ich hatte mich eingelesen und versucht vorzubereiten, doch das änderte nichts daran, dass ich mich immer noch absolut ungenügend vorbereitet fühlte. Ich atmete einmal tief durch. Die Botschaft war für mich eine Art Blackbox. Etwas faszinierendes und Grosses, aber auch etwas, worüber ich wenig wusste und immer ausser Reichweite geschienen hatte. Das Schleusensystem am Eingang, half nicht, dieses Gefühl von Unnahbarkeit zu verringern.
Einen richtiggehenden Kontrast zu meinen Erwartungen an die Institution stellten indes die Leute dar, die darin arbeiteten: freundlich, aufgestellt, interessiert, motiviert und herzlich. Selten habe ich mich an einem Ort so Willkommen und wohl gefühlt wie an der Schweizer Botschaft in London.



Die Zeit an der Botschaft hat mich schnell gelehrt, dass Planänderungen im Berufsleben an der Tagesordnung sind. Als ich angekommen bin, war gerade ein «Reshuffle» der britischen Regierung in vollem Gang. Unsere Welt ist unglaublich dynamisch und verlangt, immer am Ball zu bleiben, um den Überblick zu behalten. Die breite Palette an Dossiers und Themen, welche an der Botschaft betreut werden, hat mich beindruckt und fasziniert. Es fühlte sich in etwa an wie ein riesiges Puzzle. Jeder stellt seinen Teil zusammen und am Ende hat man das grössere Bild. Jeder verfolgte ein Geschehnis oder einen Event und das Relevante wird mit den anderen in der Botschaft geteilt. Im Hintergrund läuft immer etwas, auch wenn man von aussen nicht zwingend etwas davon mitbekommt. Ich glaube, das ist genau das, was die Arbeit in der Botschaft so faszinierend macht. Man steht nie still und die vielen einzelnen Efforts tragen am Ende zu einer Veränderung bei.

In den zwei Woche hatte ich unter anderem die grossartige Chance an einem Briefing des FCDO, als Teil der Schweizer Delegation an multilateralen Meetings und an bilateralen Gesprächen zwischen der Schweiz und dem UK teilzunehmen. Die Fähigkeit der Diplomaten, zwischen den Zeilen zu lesen und Schlüsse aus kleinsten Indizien zu ziehen war beeindruckend. Verfolgen zu können, wie eine Strategie
für ein wichtiges Gespräch innerhalb einer Delegation zusammengestellt und wie diese umgesetzt wird, war sehr interessant. Eine weitere Lektion, die ich im Rahmen dieser Ereignisse gelernt habe, ist die Bedeutung der etwas weniger formellen Gesprächen zwischen den offiziellen Meetings. Dies hat mir auch verdeutlicht, weshalb digitale Meetings niemals das Zusammenkommen in Person werden
ersetzten können.

Neben den bi- und multilateralen Gesprächen und der Informationsbeschaffung stellt auch die Repräsentation der Schweiz im Ausland Teil des Pflichtenhefts der Diplomaten dar. So durfte ich zum Beispiel an der Eröffnung der Liotard Ausstellung in der National Gallery teilnehmen sowie an diversen Anlässen, welche an der Botschaft selbst stattfanden. Diese Events haben mir einerseits die Möglichkeit gegeben, in einen weiteren Aspekt der Diplomatie Einblick zu erhalten aber auch mit Leuten aus den unterschiedlichsten Bereichen in Kontakt zu kommen und dadurch nochmals andere Sichtweisen in Bezug auf diverse Themen zu erfahren. Es waren die Leute, die zu einem grossen Teil diese Erfahrung so unglaublich bereichernd für mich gemacht haben. Ich habe im Laufe der vielen Einblicke in die Tätigkeit der verschiedenen Sektionen der Botschaft und an den Treffen, Briefings und Events praktisch tägliche neue und in der Regel sehr interessante Leute kennengelernt. Ich hatte die Chance mich mit konsularischen Mitarbeitern, Diplomaten und Botschaftern aus verschieden Ländern aber auch aus verschiedenen Schweizer Standorten auszutauschen. Sie alle haben mir etwas extrem Wichtiges auf den Weg gegeben: Die Passion für ihren Beruf und der unglaubliche Drive, der daraus entsteht. Diplomatie ist nicht nur ein Beruf, sondern ein Lebensstyl.

Einer der Herausforderungen für mich war es, Schritt zu halten mit der Dichte an Ereignisse und an Informationen beim Mitschreiben an Besprechungen und Vorträgen. Das Herausfiltern von dem, was relevant ist und was eher weniger, hat sich als kniffliger erwiesen als erwartet. Mein grösster Gegenspieler in London war die Zeit: Die zwei Wochen sind unaufhaltsam schnell vorüber gegangen. Die Liste an Dingen, die ich aus meinem Aufenthalt an der Botschaft mitnehme, ist zu lange, um sie hier einzeln aufzählen zu können. Es waren zwei wegweisende Wochen für mich, die meinen Horizont signifikant erweitert und mir neue Blickwinkel eröffnet haben.


Von links nach rechts: Botschafter Markus Leitner bei seiner Rede anlässlich der Eröffnung der Liotard Ausstellung in der National Gallery, Herr Peter Maurer, ehemaliger Chef des IKRK und ehemaliger Staatssekretär  bei seiner Rede anlässlich des Alumni Events an der Schweizer Botschaft in London